Ausnahmezustand im Ludwig-Jahn-Stadion

Im Vorfeld wurde die Gegengerade für die Gäste reserviert. Was sich die Gärtner und Floristen und unser Schul- und Sportamt dabei gedacht haben weiß ich nicht. Daß aber unser Verein diesen Schwachsinn einfach abnickt, finde ich einen Skandal erster Güte!

Die Empörung unter den Ludwigsburgern schlug Wellen bis in die Stuttgarter Presselandschaft. Immerhin. Nebenbei wurden noch Kontakte nach Ulm geknüpft wobei man dann eine gemeinsame Aktion gegen das überzogene Polizeiverhalten plante.

Am 3. Mai 2003 war es also so weit. Um halb eins holte ich den Heiko ab und es ging erstmal ins Vereinsheim. Zu der Zeit war das Stadion noch komplett leer und von Absperrungen nichts zu sehen. Mit ordentlich Schnitzel im Ranzen ging es dann ins Stadion. Die Polizeipräsenz war immens und ich kaum zu beruhigen. Lächerlich, jämmerlich, erbärmlich und mein Verein war nicht unschuldig daran. Unser Banner wurde an der Tribüne kopfstehend aufgehängt um unseren Protest zu dokumentieren.

Bei der Gelegenheit ließ sich auch unser toller Vereinsvorstand sehen, und meinte er fände das gut, daß wir hier seien. Ich fand das gar nicht gut, was ich auch sagte. Am liebsten hätte ich ihm in dem Moment die Nase geplättet, unterließ es aber.

Die weitere Wartezeit wurde mit Bier und Unmutsäußerungen verbracht. Mich hat noch jemand nach 07-Souvenirs gefragt, die es aber bekanntlich nicht gibt. Letztlich bekam er dann von Heiko nen Schal und es stellte sich heraus, daß das ein Offenbacher war. Als er meine Dauerkarte fürs Waldstadion und Heikos Tätowierung sah, fand er es natürlich auch witzig. Weniger witzig fand ich, daß die Ulmer die Erlaubnis unseres supertollen 1. Vorsitzenden bekamen, die Bandenwerbung zuzuhängen. Da hat man einmal ne größere Kulisse (800 Zuschauer, davon etwa 200 Ulmer) und schon sind die Werbepartner nicht mehr so wichtig. Wenn ich da an das Theater denke, als wir mal was aufhängten sieht man doch mal wieder daß wir dem Steuerberater sowas von am Arsch vorbei gehen. Was die Werbepartner wohl dazu meinen?

Irgendwann meldeten sich auch die angekündigten Ulmer und man erwartete sie am Eingang. Normalerweise hätten sie da gar nicht hereinkommen dürfen, da die Gästefans einen eigenen Eingang hatten, aber sie kamen inkognito. Respekt an dieser Stelle an Florian und Arne. Als alles besprochen war und wir darauf warteten, daß die Spieler in die Kabine verschwanden, brachte Arne auch noch ne schwarz-weiße Schwenkfahne herbei und es war soweit. Das Transparent wurde ausgebreitet und, von jeweils einer Ulmer und Ludwigsburger Schwenkfahne flankiert, zum Mittelkreis getragen. Unter Applaus den Ulmern gezeigt und auch die Ludwigsburger waren begeistert. Wie die Staatsmacht schaute, war auch unbezahlbar. Selten so dumme Gesichter gesehen. Da haben die wirklich alles dafür getan Ulmer und Ludwigsburger getrennt zu haben und dann so eine Aktion. Einfach GEIL!

Wir verabschiedeten uns voneinander und trennten uns. Das Transparent wurde dann an der Tribüne aufgehängt

und wir wollten es uns auf der Tribüne gemütlich machen. Leider waren wir uns sehr uneinig und ein Großteil unserer Fans blieb beim Richterturm.

So kam es, daß in der ersten Zeit die Stimmung fast nur von den Ulmern im Stadion gemacht wurde. Erst als unser ganzer Haufen dort vereint stand, änderte sich das obwohl wir nach einer Viertelstunde bereits mit 0:2 zurück lagen (8. und 14. Minute). Wir sind halt keine Erfolgsfans. Stimmungstechnisch haben die Ulmer eh einen entscheidenden Fehler gemacht, wie mir unser Fanstratege Rucki später erklärte. Anstatt sich an die Mittellinie zu stellen und damit in die Tribüne hinein zu schreien, standen sie am Rand vor dem Bierstand. Dadurch nutzten sie nicht unseren sonst üblichen Vorteil und wir bekamen die Sache ganz gut in den Griff und wir spulten unser Programm herunter. Garniert waren die üblichen Fan-Gesänge mit allerlei "Maser raus", "Vorstand raus" und "alle Clubs aus Stuttgart sind Scheiße"! Das Spiel war auch nicht mehr so schlecht und wir hatten mal wieder allerlei Chancen, die aber allesamt nicht in Tore umgemünzt wurden.

In der Halbzeitpause tauchte plötzlich Jule auf, der das Spiel vom traditionellen 07-Fan-Standort aus verfolgt hatte. Er war halt nicht als 07er zu erkennen. Außerdem wurde das Spruchband bei den Ulmern aufgehängt. Nachdem wieder Dr Lomb zelebriert war, wurde das Spiel wieder angepfiffen und wir bekamen Oberwasser. in der 51. Minute erzielte Mirnes den Anschlußtreffer und folgend hatten wir wieder beste Chancen, die aber natürlich nichts einbrachten. Außer, daß sich manch ein Nörgler bei uns aufregte. Die Stimmung war weiterhin beiderseits prächtig und auch ein unvergessener Verräter auf der Tribüne wurde mehrmals gewürdigt. Zum Einen erschallte hierfür das beliebte "Ju-das Ju-das Ad-ri-ooon" und auch ein "Kickers, Kickers, die Scheiße vom Turm" fand Verwendung. Gegen Ende des Spiels zeichnete sich unser Tobrak im Tor mehrmals aus und die Hoffnung auf einen Punkt hielt bis zur 90. Minute. Beim 1:3 brachen bei den Gästen natürlich alle Dämme, sie strömten auf die Tartanbahn und im Block stieg etwas Rauch auf.

Kurz darauf wurde das Spiel abgepfiffen und die Niederlage war besiegelt. Völlig niedergeschlagen und enttäuscht ließen wir natürlich alle die Köpfe hängen ...

... das heißt, so wäre es, wären wir keine Lombaburger! Unser 5-Minuten-bis-zum-Schlußpfiff-Dauersupport wurde so lange fortgesetzt, bis unsere Jungs zum abklatschen kamen. Wir sind halt niederlagenerprobt. Etwas später machte ich mich mit unserem Illinger auf den Weg über den Rasen. An der Bande angelangt wünschte ich noch ein paar Damen eine gute Heimfahrt, worauf "wir beißen nicht" zurückkam. Haben die wohl falsch verstanden. Dann trafen wir den Arne wieder und legten das Spruchband zusammen. Auch mit einem weiteren Ulmer kamen wir ins Gespräch und als ich mich umdrehte, war auf dem Platz die Hölle los. Es lagen ein paar Leute am Boden und ein paar andere traten aufeinander ein. Merkwürdig aber mal wieder typisch. Ich unterhalt mich mit nem Gegner und etwas weiter geht man sich an die Gurgel. Dabei fragte ich mich, wozu eigentlich der Haufen Grüne im Stadion war und wozu die Ulmer eigene Ordner dabei hatten.

Hinterher erfuhr ich, daß ein Ulmer einen unserer Ordner umgeschlagen hätte und daraufhin unsere Leute ihm zu Hilfe kommen wollten. Gesehen hab ich das aber natürlich nicht. Es hieß später auch, er hätte den Ulmer vorher provoziert. Was jetzt stimmt weiß ich auch nicht, aber was solls. Ein paar Ulmer sollen auch sicher Kopfschmerzen mitgenommen haben. Irgendwann wurde das Chaos von den Freunden und Helfern aufgelöst, wobei die natürlich erstmal nicht wußten, wer da wirklich eine Verhaftung verdiente, jedenfalls wurde später ein "Beschuldigter" zu einem "Zeugen". Blessuren trug er vom Polizeieinsatz dennoch davon. Die habens echt drauf! Hätten die keine 60 Leute fürs Spiel abgestellt, sondern nur zehn und fünf davon zwischen Ulmer und Ludwigsburger gestellt, wäre sicher nichts passiert. Da hätte man nicht einmal das Stadion so abtrennen müssen. Aber so sind die halt. Die Höhe fand ich aber, als ich hörte, daß ein Polizist gemeint hätte, WIR hätten das provoziert, weil wir immer wieder gegen die Polizei gesungen hätten. So ein Schwachsinn. Wir singen "Deutsche Polizisten, Gärtner und Floristen" und provozieren damit die Ulmer. Wir Fans können jedenfalls nichts dafür, daß die einfach unfähig sind.

Dann leerte sich jedenfalls das Stadion und es begaben sich später noch einige von uns in Vereinsheim wo dann natürlich ordentlich gezecht und gesungen wurde. Es gab sogar mal wieder einen Stiefel. Peinlicherweise konnte er von uns nicht geleert werden, da zu wenige Trinker unter uns weilten. Mein persönlicher Fußballtag endete bei der Oststadtküche, die mir Obdach gewährte. Danke Maria und Sigi!